

Zwischen Liegestuhl und Meer
Rettungsschwimmer Howie war kein Held. Zumindest keiner, der durch brennende Häuser rannte oder im letzten Moment Haie boxte. Aber er war gut im Sonnencreme-Beraten, verlorene Luftmatratzen einfangen und Leuten erklären, dass „drei Meter Wellen“ für ihre aufblasbare Flamingo-Insel vielleicht doch zu viel waren.
An diesem Dienstag war alles ruhig am paradiesischen Strand. Das Wasser schimmerte türkis, die Kokosnüsse fielen genau nicht auf Menschenköpfe, und irgendwo oben am Himmel schwebte ein Heißluftballon mit einem frisch verliebten Paar.
Howie saß also auf seinem Hochsitz, mit einem Eiskaffee in der einen und einer Pfeife, die er nie benutzte, in der anderen Hand, als er etwas Ungewöhnliches entdeckte.
Eine Schildkröte. Genauer gesagt: eine recht alte Schildkröte, die sich mühsam den Weg vom Meer in Richtung Liegestuhlparadies bahnte. Nicht hektisch, nicht ängstlich. Einfach... zielstrebig.
Howie stieg neugierig von seinem Posten, trottete zu ihr rüber, beugte sich hinunter und fragte – ja, er wusste, sie konnte ihn nicht verstehen, aber Menschen neigen nun mal dazu –:
„Was hast du denn vor, kleine Lady? All-Inclusive-Buffet? Oder suchst du nur den Schatten?“
Die Schildkröte reagierte nicht. Sie lief weiter. Langsam. Immer wieder blieb sie stehen, drehte sich leicht, als würde sie prüfen, ob der Weg noch stimmt, dann stapfte sie weiter – direkt auf einen leeren, weißen Liegestuhl zu.
Howie schaute verwundert. Die Schildkröte... legte sich unter den Liegestuhl. Und blieb da.
Zehn Minuten vergingen. Dann dreißig. Howie brachte ihr ein bisschen Wasser. Sie blinzelte, blieb aber liegen. Abends, als der Strand sich leerte, saß Howie neben dem Liegestuhl, aß Chips und teilte stumm den Sonnenuntergang mit ihr.
Und dann geschah es. Nicht spektakulär, nicht dramatisch. Einfach... still.
Howie sah die Schildkröte an und stellte fest:
Sie war einfach da. Kein Reden. Keine Erwartungen. Nur da.
Er hatte die letzten Jahre so viele Menschen erlebt, die kamen und gingen, schrien, forderten, posteten, verschwanden. Und da war diese Schildkröte – die nichts wollte außer ein bisschen Schatten und vielleicht Gesellschaft.
An diesem Abend ging Howie mit einem seltsamen Gefühl nach Hause. Kein Drama, keine Action – aber zum ersten Mal seit Langem fühlte er sich wirklich... verbunden.
Die Schildkröte kam jeden Tag wieder. Mal saß sie unter einem Sonnenschirm, mal neben seinem Turm. Sie teilten Melone, Schatten und gelegentlich einen Moment der Stille.
Ob es Freundschaft war?
Vielleicht. Zumindest so, wie Freundschaft manchmal ist: still, geduldig, zuverlässig.
Und oben am Himmel, jeden Abend zur gleichen Zeit, schwebte der Heißluftballon mit dem verliebten Paar vorbei.
Aber Howie schaute nicht mehr hin.
Er hatte am Boden jemanden gefunden, der ihn nicht brauchte – aber da war.
Und manchmal ist genau das die tiefste Form von Freundschaft.

Song zur Geschichte
